Titel: QualitÀtskriterien in der qualitativen und quantitativen Forschung
Vorstellende Person: Jan D. Wandrey, Arzt in Weiterbildung und wissenschaftlicher Mitarbeiter, Klinik fĂŒr AnĂ€sthesiologie m.S. operative Intensivmedizin, Campus Virchow Klinikum und Campus CharitĂ© Mitte, CharitĂ© - UniversitĂ€tsmedizin Berlin
Vorgestellter Artikel: Quality Criteria in Qualitative and Quantitative Research
Der Artikel stammt aus der medizinischen Ausbildungsforschung und fasst QualitĂ€tskriterien fĂŒr qualitatitve und quantiative Forschung zusammen. Dabei wird versucht eine gemeinsame Meta-Ebene dieser QualittĂ€skriterien zu schaffen. Daraus wurden vier Meta-Ebenen von QualitĂ€tskriterien definiert: Truth value of evidence (man kann den Ergebnissen Vertrauen), Applicability of evidence (man kann die Ergebnisse anwenden/ĂŒbertragen/verallgemeinern), Consistency of evidence (die Ergebnisse sind in sich schlĂŒssig) und Neutrality of evidence (die Ergebnisse sind neutral und unbeeinflusst). FĂŒr jede dieser vier Meta-Ebenen wurden dann die jeweiligen Entsprechungen in der qualitativen und quantitativen Forschung aufgefĂŒhrt und erlĂ€utert, wie diese QualitĂ€tskriterien erreicht werden können.
Zusammenfassung der Diskussion des Artikels:
Der Artikel stellt eine Besonderheit im Journal Club dar, da er selbst keine Originalarbeit ist, sondern lediglich Methoden auf einer Meta-Ebene beschreibt. Dennoch wurde er sehr positiv aufgenommen, da er eine gute Grundlage darstellt, um in einer interdisziplinÀren Forschung jeweils einen einfacheren Zugang zu neuen Methoden zu finden und zu verstehen woran sich deren QualitÀt bemisst.
Frambach, Janneke M, Cees P M van der Vleuten, and Steven J Durning. 2013. âAM Last Page. Quality Criteria in Qualitative and Quantitative Research.â Academic Medicine : Journal of the Association of American Medical Colleges 88 (4): 552. https://doi.org/10.1097/ACM.0b013e31828abf7f.
Titel: Pharmakogenetik in der perioperativen Schmerztherapie
Vortragende Person: Joanna Kastelik, CharitĂ© â UniversitĂ€tsmedizin Berlin, Klinik fĂŒr AnĂ€sthesiologie m.S. operative Intensivmedizin (CCM/CVK).
Vorgestellter Artikel: Using pharmacogenetics to structure individual pain management protocols in total knee arthroplasty.
Die Autoren beschreiben folgende Ziele dieser randomisierten Pilotstudie: Bestimmung des Anteils der Patient*innen zur primĂ€ren totalen Kniegelenkarthroplastik (TKA) mit genetischen Varianten mit Einfluss auf die am hĂ€ufigsten verordneten postoperativen Analgetika und Bestimmung der Umsetzbarkeit der pharmakogenetischen Testung im klinischen Setting. Es wurde auch die Forschungsfrage, ob die auf den pharmakogenetischen Ergebnissen basierende Ănderung der multimodalen Schmerztherapie die Schmerzkontrolle verbessert und die Nebenwirkungen der Analgetika reduziert, formuliert. In die Studie wurden 31 Patient*innen >18 Jahre alt zur primĂ€ren TKA eingeschlossen. Die Patient*innen wurden einer Kontrollgruppe oder einer Interventionsgruppe zugeteilt. Jede Studiengruppe wurde in 2 Kategorien je nach Vorhandensein von genetischen Varianten in den untersuchten Genen (OPRM1, CYP1A2, CYP2B6, CYP2C19, CYP3A4, CYP2C9, CYP2D6) unterteilt. Bei der prĂ€operativen Visite wurden den Studienteilnehmer*innen 2 buccale Abstriche zur genetischen Untersuchung entnommen. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden in Form eines âMediMapâ patient report dem Chirurgen vorgelegt. Patient*innen in der Kontrollgruppe und Patient*innen in der Interventionsgruppe ohne die genetischen Varianten erhielten die in dem Artikel definierte Standardmedikation, die folgende Medikamente umfasste: Ketorolac, Paracetamol, Tramadol, Hydrocodone und Celecoxib. Bei Patient*innen in der Interventionsgruppe mit genetischen Varianten wurde ein individualisiertes Schmerztherapieschema angewendet. Bei inadĂ€quater Schmerzkontrolle oder Nebenwirkungen bei Patient*innen in der Kontrollgruppe wurden die genetischen Ergebnisse beurteilt und die analgetische Medikation entsprechend angepasst. Als primĂ€res Outcome wurde von den Autoren die HĂ€ufigkeit von Patient*innen mit genetischen Varianten definiert, als sekundĂ€re Outcomes die Nebenwirkungen, Menge und Typ der Schmerzmedikamente (umgerechnet in MorphinĂ€quivalente), die in den ersten 10 postoperativen Tagen von den Patient*innen eingenommen wurden. 13 Patient*innen (42%) hatten genetische Varianten in einem oder mehreren Genen mit Einfluss auf die Wirksamkeit und Nebenwirkungen der Standardanalgetika. 8 Patient*innen (26%) hatten genetische Varianten mit Einfluss auf mehr als ein Medikament. VollstĂ€ndige Daten aus den pain and medication logs waren von 25 Patient*innen verfĂŒgbar. Die mittlere SchmerzintensitĂ€t und die MorphinĂ€quivalente in den ersten 10 Tagen waren höher in der Kontrollgruppe als in der Gruppe mit individuell angepasster Schmerzmedikation (custom-guided group). Die Autoren schlussfolgern, dass eine pharmakogenetische Testung in der klinischen Praxis umsetzbar ist. Pharmakogenetische Testung wird als eine erfolgversprechende Methode mit der Möglichkeit eines personalisierten perioperativen Schmerzmanagements und einer potentiellen Outcomeverbesserung beschrieben.
Zusammenfassung der Diskussion im Journal Club:
In der Diskussion wurde das Thema des Artikels als sehr spannend und klinisch relevant bewertet. Mit dem hier beschriebenen Ansatz Pharmakogenetik in einen klinischen Handlungsablauf zu integrieren, besteht eine relativ niedrigschwellige Möglichkeit einen Schritt in Richtung individualisierte Medizin zu gehen.
Positiv an der Methodik wurde bewertet, dass die Studie vorab bei Clinical Trials regstriert war. Auch die Verblindungs- und Randomisierungsmethode erscheint sinnvoll.
Kritisch wurde jedoch die Statistik des Artikels bewertet. Die Beschreibung der statistischen Methoden findet keinen eigenen Abschnitt im Methodenteil, sondern wird nur unvollstĂ€ndig in einem Nebensatz erwĂ€hnt. So ist z.B. unklar welcher Test fĂŒr den Vergleich der MorphinĂ€quivalente zwischen den Gruppen genutzt wurde. DarĂŒber hinaus wurde nicht darauf eingegangen, ob die Voraussetzungen fĂŒr die Nutzung des T-Tests (Normalverteilung, HomogenitĂ€t der Varianzen etc.) ĂŒberhaupt erfĂŒllt sind. Des Weiteren werden lediglich Signifikanzen und keine EffektstĂ€rken reportet, auch wenn dies seit Jahrzehnten massiv gefordert ist (Cohen 1992).
Hamilton WG, Gargiulo JM, Parks NL. Using pharmacogenetics to structure individual pain management protocols in total knee arthroplasty. Bone Joint J. 2020;102-B(6_Supple_A):73-78.
Cohen, J. 1992. âA Power Primer.â Psychological Bulletin 112 (1): 155â59
Titel: Kognitionen in der chronischen Schmerzerfahrung
Vorstellende Person: Nils Reiter, Physiotherapeut - Alice Salomon Hochschule Berlin
Phelps, C. E., Navratilova, E., & Porreca, F. (2021). Cognition in the Chronic Pain Experience: Preclinical Insights. Trends in Cognitive Sciences.
Zusammenfassung der Diskussion im Journal Club:
Nach dem schönen Vortrag entspann sich eine lebhafte Diskussion. Angemerkt wurde, dass Physiotherapie in dem Paper nicht mehr Beachtung findet, da grade in der Physiotherapie neues schmerzfreies Erleben von Bewegung gefördert wird und dadurch neue GedĂ€chtnisinhalte entstehen. Hier wurde die Parallele zur Behandlung von Angststörungen (Lernen neuer GedĂ€chtnisinhalte durch z.B. Exposition) gezogen, wobei noch einmal deutlich wurde, wie wichtig die neuen Erfahrungen in der Physiotherapie (z.B. graded activity Ansatz) fĂŒr den chronischen Schmerzpatient*innen sind. Dabei tauschten die Teilnehmer*innen Erfahrungen aus, die zeigten, wie schwierig im Klinikalltag und in der ambulanten Behandlung der Austausch zwischen den Berufsgruppen ist, da das System die nötige Zeit dafĂŒr nicht zur VerfĂŒgung stellt/nicht vergĂŒtet.
Ein weiterer Aspekt der angesprochen wurde, ist, dass eine Neurogenese auch durch Kraftsport angeregt werden kann und dies möglicherweise ach den kognitiven BeeintrÀchtigungen entgegenwirken kann.
Im Erfahrungsaustausch wurde deutlich, dass passive Anwendungen, die nicht evidenzbasiert sind, in der Physiotherapie noch zu hĂ€ufig verwendet wurden. Auch in anderen Professionen sind Methoden gelĂ€ufig, die nicht wirklich evidenzbasiert sind. Hier wurde auch ĂŒberlegt, dass Behandler*innen ebenso wie Patient*innen gerne eine neue Therapie, die Hoffnung fĂŒr schwer zu behandelnde chronische Schmerzen verspricht, glauben möchten.
Es gab auch die kritische Diskussion der im Artikel vorgeschlagenen Medikamente. Hierbei wurde deutlich, das manche AnsÀtze schon umgesetzt werden (z.B. bestimmte Medikation perioperative bei Amputationen um Phantomschmerz zu verhindern), aber viele medikamentöse AnsÀtze noch experimentell sind und noch nicht in Leitlinien stehen.
Auch der Aspekt der besonders schnellen Konditionierung Abspeicherung von Schmerzen oder GedĂ€chtnishinhalten die mit Schmerz verknĂŒpft sind, wurde diskutiert. Hier wurde berichtet, dass es durch einzelne traumatische Schmerzerlebnisse zu einer rapid chronification kommen kann.
Das Zusammenspiel von Kognition und Lernen wurde auch in den Vordergrund gestellt. FĂŒr das abspeichern neuer Erfahrungen, mit keinem oder nur wenig Schmerz assoziiert sind, muss der*diejenige auch einen Fokus auf diese Ereignisse legen. Sonst ziehen grade schmerzassoziierte Ereignisse besonders die Aufmerksamkeit auf sich, was eine Speicherung erleichtert und schmerzlose Ereignisse werden ignoriert.
Titel: Psychologische und psychosoziale PrĂ€diktoren postoperativer chronischer SchmerzenVorstellende Person: Julia WeiĂ, Psychologische Psychotherapeutin - CaritasKlinikum SaarbrĂŒcken
Giusti, Emanuele; Lacerenza, Marcoc; Manzoni, Gian Maurod; Castelnuovo, Gianlucaa, Psychological and psychosocial predictors of chronic postsurgical pain: a systematic review and meta-analysis, PAIN: January 2021 - Volume 162 - Issue 1 - p 10-30
Vorstellende Person: Romina Gollan
Thema: Owen PJ, Miller CT, Mundell NL, et al.,
Which specific modes of exercise training are most effective for treating low back pain?
Network meta- analysis, Br J Sports Med 2020;54:1279â1287
Thema: "Erfassung von postoperativen Schmerzen - Haben wir bis jetzt das Falsche gefragt?"
Vorstellende Person: Jana Aulenkamp, Klinik fĂŒr AnĂ€sthesiologie und Intensivmedizin, Uniklinikum Essen
Artikel: Bigalke S, V MaeĂen T ,Schnabel K ,Kaiser U , Segelcke K ,Meyer-FrieĂem CH ,Liedgens H , MachĂĄÄek PA , Zahn PK , Pogatzki-Zahn EM Assessing outcome in postoperative pain trials: are we missing the point? A systematic review of pain-related outcome domains reported in studies early after total knee arthroplasty, Pain 2021 Jul 1;162(7):1914-1934. doi: 10.1097/j.pain.0000000000002209.